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Studieren zwischen den Welten – Erfahrungen aus dem Studium „Interreligiöse Studien“
Studieren zwischen den Welten – Erfahrungen aus dem Studium „Interreligiöse Studien“

Studieren zwischen den Welten – Erfahrungen aus dem Studium „Interreligiöse Studien“

Ich bin Noà und habe soeben mein erstes Studienjahr der „Interreligiösen Studien“ an der Uni Bern abgeschlossen. Sobald ich das erzähle, kommt immer dieselbe Frage, die vermutlich auch dir gerade im Kopf schwirrt: „Was genau studierst du?“ Die meisten können sich unter dem Begriff nichts vorstellen. Verständlich, denn das Studienfach wird in Bern auch erst seit 2005 angeboten und ist also noch recht jung und vielen völlig unbekannt. Ich interessiere mich schon lange für Religionen, aber selbst für mich war nach der Anmeldung unklar, was mich genau erwarten wird.

Begriffsklärung

Interreligiosität heisst so viel wie zwischen den Religionen. Also Ziel meines Studiums ist das Erlernen dieses Perspektivenwechsels zwischen den Religionen. Wir tauchen in die verschiedenen religiösen Traditionen ein mit einem Schwerpunkt auf Judentum, Christentum und Islam. Wir beschäftigen uns auch mit Themen wie interreligiösem Lernen, Religionspädagogik oder Religionsforschung. Denn erst wenn ich verstehe wie eine Religion funktioniert, kann ich mich im Dialog mit der jeweiligen Religion austauschen.

Learnings

Zum Beginn des Studiums war ich unglaublich nervös! Doch nach ein paar aufregenden Wochen fand ich mich an der Uni schnell zurecht: Auf einmal weiss man, wo die Bücher in der Bibliothek versteckt sind, wo es den billigsten Kaffee gibt und wo sich der gesuchte Hörsaal befindet.

Ich habe schnell gemerkt, dass obwohl kaum jemand dies studiert, es ein immer relevanteres Thema wird. Unsere Welt ist so plural, interkulturell und interreligiös wie nie zuvor. Gerade auch in der Schweiz verändert sich die Religionslandschaft rasant: Der Islam wächst, die Zahl konfessionsloser Menschen und kleinere religiöse Gruppen nimmt zu. Gleichzeitig verlieren die Landeskirchen immer mehr Menschen. Deshalb finde ich es umso wichtiger sich mit dem Phänomen Religion zu beschäftigen, weil es unsere ganze Gesellschaft betrifft und unsere Kultur prägt. Ich beobachte gerade das Gegenteil: Viele Menschen beschäftigen sich nicht mit Religion und kennen die zentralen Glaubensinhalte des Islams oder des Buddhismus gar nicht.

Des Weiteren durfte ich lernen, dass ein vernetztes Denken erforderlich ist. Ein schönes Beispiel dazu ist die Josephsgeschichte, die vielen aus der Bibel bekannt ist. Diese Geschichte ist zentral im Judentum, im Christentum und auch im Islam. Also stellt sich heraus, dass man Gewisses gar nicht klar trennen kann. Es gibt viel mehr Gemeinsamkeiten und Überschneidungen innerhalb der Religionen, die mir gar nicht bewusst waren. Dies ist vor allem im interreligiösen Dialog hilfreich, wenn man gemeinsame Motive, Riten und Geschichten erkennen und verknüpfen kann.

Ausserdem wurde mir bewusst, dass es einen grossen Unterschied zwischen gelehrter und gelebter Religion gibt. Deshalb war es umso wertvoller, dass wir im ersten Jahr verschiedene Religionsgemeinschaften in Bern besucht haben. Erst durch Besuche bekommt man ein Bild der Religion, was einem ein Lehrbuch nicht bieten kann. Das Haus der Religionen in Bern ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie ganz nahe unterschiedliche Religionsgemeinschaften kennengelernt werden können.

Herausforderungen

Es ist eine Herausforderung sich zwischen verschiedenen Religionen zu bewegen. Oft sitze ich am frühen Morgen in einer Vorlesung über den Islam; direkt danach geht es zu einer Vorlesung über die Religionsgeschichte des Judentums. Dieses hin- und her Switchen zwischen den religiösen Welten ist fordernd. Auch taucht man so weniger stark in die Tiefe, da man ja die Breite der Religionen kennen lernen will. Ich musste lernen, mich für andere Religionen zu öffnen, meine Vorurteile abzulegen und daraus zu lernen für meinen persönlichen christlichen Glauben.

Fazit

Das Studium der „Interreligiösen Studien“ hat mir neue Horizonte eröffnet und ich bin gespannt, was ich im weiteren Studium alles erlernen darf. Das Thema Religion kann heikel, sensibel und persönlich sein, umso wichtiger ist der richtige Umgang damit. Es ist definitiv ein Studium zwischen den Welten, was definitiv diese Vielheit mit sich bringt.

Noà Furrer