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Wo sich der Einstieg durchs Fenster lohnt
Wo sich der Einstieg durchs Fenster lohnt

Wo sich der Einstieg durchs Fenster lohnt

Egal ob Cappuccino, Suppe, gemeinsames Lernen oder spannende Diskussionen, das «Hirschli» ist das Wohnzimmer der Uni. Und darum passiert da so ziemlich dasselbe wie in einem Wohnzimmer einer Studenten-WG – und noch einiges mehr. Ich wage einen Blick in die «Stube» der Uni.

Bereits der Zutritt zum Studi-Kafi Hirschli ist aussergewöhnlich, passt aber wunderbar in die verwinkelten Gassen rund ums Grossmünster in Zürich. Wer das Hirschli kennt, weiss, dass man durchs Fenster am schnellsten mitten ins Kafi kommt. Ist der Fensterrahmen überwunden, geht es drei Stufen abwärts und ich stehe mitten in einem gemütlichen Raum. Auf der linken Seite lädt eine Sitzecke zum Verweilen ein. An der rustikalen Steinwand dahinter hängen kunstvolle Fotografien, die Szenen des pulsierenden Lebens der Strassen Zürichs zeigen. Gegenüber stehen Tische, an denen gegessen oder eben gelernt und gearbeitet werden kann. Am anderen Ende des Raumes steht eine Theke. Dahinter entdecke ich Linda und Carla an der Kaffeemaschine. Linda Blumer, die Leiterin des Hirschlis, lässt sich gerade von Barista Carla erklären, wie das mit dem perfekten Cappuccino funktioniert. «Ich lasse mich gerade an der Kaffeemaschine ausbilden, damit ich aushelfen kann, wenn viel läuft», erklärt Linda lachend.

Linda und Carla mit einem “perfekten Cappuccino”

Offenes Haus und offene Ohren

Während ich auf meinen Cappuccino warte, der gerade aus der surrenden Kolbenmaschine läuft und den Raum mit einem herrlichen Kaffeegeschmack füllt, erzählt mir Linda vom Hirschli. Das Hirschli gibt es seit 2017. Es wurde initiiert durch die Hochschulseelsorge der reformierten Landeskirche Zürich und wird von ihr getragen. Im Hirschli erhalten Studentinnen und Studenten und kirchliche Mitarbeitende ein feines Essen zu einem fairen Preis. Sie finden aber auch ein offenes Haus und vor allem immer ein offenes Ohr vor, erklärt Linda. Die Hochschulseelsorge gibt es schon lange. Lindas Vorvorgänger hat dann die Hochschularbeit übernommen und wollte sie neu erfinden. Mit viel Kreativität, Mut und Lust auf Anderes wurde das Konzept für das Hirschli erarbeitet. Der Kirchenrat gab überzeugt grünes Licht.


Webseite: www.hirschli.net

Gott begegnet in Vielfalt

Inzwischen ist der Cappuccino fertig und wir sitzen an einem Tisch im Hirschli. Linda, die erst vor kurzem die Leitung des Hirschlis übernommen hat, erzählt mir von ihrer Motivation für die Arbeit im Hirschli. «Ein Bekannter rief mich an und machte mich auf diese Stelle aufmerksam», sagt Linda, die zuvor Studienleiterin an einer theologischen Ausbildungsstätte war. «Noch am Telefon suchte ich online nach dem Inserat.» Nach einer Bedenkfrist übers Wochenende hat sich Linda mit Erfolg beworben. Man spürt ihre Leidenschaft für die Arbeit mit Studierenden und deren oft wegweisenden Lebensphasen. In den Begegnungen, die sie hier mit den Menschen erlebe, begegne ihr Gott in Vielfalt. «Das berührt mich sehr», sagt Linda voller Freude.

Kaffee – das Wasser des Lebens

Alle Studierenden sind willkommen

Während unseres Gesprächs gehen immer wieder Menschen durch die Gasse und schauen neugierig durchs Fenster. Sie scheinen sich zu fragen: «Geht es hier wirklich durch ein Fenster ins Kafi?». Obwohl das Hirschli ein Projekt der Hochschulseelsorge der reformierten Landeskirche ist, sind alle Studierenden der Zürcher Hochschulen, unabhängig ihres Studiengangs, ihrer Weltanschauung, ihrer Persönlichkeit und Überzeugung willkommen. «Wir haben noch nie jemanden rausgeworfen», sagt Linda und lacht. Die Gäste im Hirschli sind durchmischt. Das liegt auch am Personalmanagement. Die Schichten werden von Studierenden unterschiedlicher Studiengänge abgedeckt, die jeweils ihre eigenen Freunde und Bekannte mitbringen.

Das Leben neben der Uni

Linda und das Hirschli-Team freuen sich über jede Begegnung. Man empfange die Menschen und das, was sie mitbringen, mit offenen Armen, erklärt sie. Im Wohnzimmer der Uni soll es Platz haben für alle Menschen und das, was sie neben ihrem Studentenalltag alles ausmacht. Und genau diese Gastfreundschaft erlebe ich am eigenen Leib und mit den eigenen Sinnen. In der gemütlichen Atmosphäre des Hirschlis vergeht die Zeit wie im Flug. Mein Cappuccino ist ausgetrunken bis auf den letzten Tropfen. Ich verabschiede mich, nehme einen letzten Atemzug des wohlriechenden Kaffeedufts und steige die drei Stufen durchs Fenster in die Gasse.

Micha Rippert (25) ist Theologiestudent, Jugendarbeiter und studentischer Mitarbeiter bei theologie-erleben.ch, der Plattform rund um Jugend, Glaube und Kirche.