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Unterwegs auf dem TheoTrail
Unterwegs auf dem TheoTrail

Unterwegs auf dem TheoTrail

«Sag’s niemandem, aber ich bin fast ein wenig nervös», schreibe ich meiner Freundin Noemi, bevor wir uns am Bahnhof treffen, um den Zug nach Aarau zu nehmen. Beide sitzen wir seit Monaten im Homeoffice, und die Zugreisen sind rar geworden. Umso grösser ist die Freude, gemeinsam etwas zu unternehmen und dabei erst noch eine Stadt zu entdecken, die wir beide kaum kennen.

Noemi und Luana wagen sich auf den TheoTrail in Aarau und entfliehen so auch dem Home-Office.

Es ist höchste Zeit, wieder einmal die eigenen vier Wände zu verlassen und etwas zu unternehmen! Wir wagen uns auf den neuen TheoTrail in Aarau, einer spielerisch-theologischen Schnitzeljagd, die wir gratis und ohne vorherige Anmeldung per Handy-App machen können. Der Vorteil: Wir lernen eine Stadt kennen, bewegen uns an der frischen Luft und kommen ungezwungen über Gott und die Welt ins Gespräch. Vor einem Unverpackt-Laden in der Altstadt Aaraus starten wir den

TheoTrail. Auf dem Weg zur nächsten Station diskutieren wir über die Frage, ob unser Glaube unser Einkaufsverhalten beeinflusst. Der Richtungspfeil führt uns zur Stadtkirche. Statt daran vorbei zu gehen, betreten wir sie. «Stühle in Kirchen sind praktisch», finden wir beide, «wir könnten die Stühle entfernen und eine Party feiern!» «Oder die Stühle könnten mit viel Abstand aufgestellt werden», lautet der etwas situationsgerechtere Einfall.

Wie war das mit diesen römischen Zahlen?

Zurück auf dem Trail finden wir heraus – nach anfänglichen Schwierigkeiten mit dem römischen Zahlsystem –, wann das Kloster in Aarau aufgehoben wurde und diskutieren auf dem Weg zur nächsten Station, wie frei wir eigentlich sind. Dort angekommen, sollen wir unseren Teamgeist mit Komplimenten stärken. «Du hast goldene Haare», ist das erste, was mir einfällt. Wir lachen und machen uns alberne und ernster gemeinte Komplimente. Vor einem Brunnen in der Altstadt will die App von uns wissen, ob wir daraus trinken würden, wenn sein Wasser uns ewiges Leben verhiesse. Wir sagen einstimmig nein. Gut aber, dass der Brunnen momentan ohnehin kein Wasser führt. Sonst hätten wir uns vielleicht doch

anders entschieden. Wobei wir eher auf ein ewiges Leben in einer neuen Welt hoffen! Beim Rathaus werden wir gefragt, ob wir uns vorstellen könnten, in der Kirche zu arbeiten. Auf diese Frage müsste ich jetzt wohl mit einem bestimmten «Ja!» antworten, immerhin studiere ich Theologie. Sicher bin ich mir nicht, aber immerhin werde ich bald als Vikarin in der Kirche arbeiten – die Frage wird mich sicher weiterhin beschäftigen. Auf dem Rathausplatz erfahren wir ausserdem, dass Aarau für ein halbes Jahr die Hauptstadt der Schweiz war. Wussten wir beide nicht – ein TheoTrail ist also nicht nur unterhaltsam, sondern auch lehrreich!

Kleider machen Leute

In einem schönen Innenhof wird uns die Frage gestellt, ob unsere Kleider zeigen, wer wir sind, und finden uns nach einem kleinen Umweg vor dem Stadtmuseum Aaraus wieder. Wer genau hinsieht, muss bei der Frage zur Fassade des Museums nicht einmal rätseln. Einmal mehr zeigt sich: Wer aufmerksam ist, gewinnt (Punkte). Und wer genau hinsieht, findet auch den ein oder anderen Secondhand-Schatz beim nachhaltigen Shopping. Einen solchen Schatz darf ich deshalb auch auf einem Foto vor dem

Stadtmuseum festhalten. «Wo denn sonst?», beantwortet Noemi die Frage, ob eine Bibel im Altpapier entsorgt werden dürfe. «Stell dir vor, sie fällt dir ins Klo, dann willst du sie bestimmt nicht mehr benutzen», fährt sie fort. Ich gebe ihr recht, auch wenn ich mich bis heute frage, wie die Bibel dorthin gelangen sollte. Bevor wir weitergehen, gönnen wir uns eine Pause und essen etwas. Die Bestzeit werden wir wohl nicht abliefern, aber der Hunger ist einfach grösser als der Drang, zu gewinnen.

«Wenn du das liest, stehst du mit einem Fuss im Grab.»

Noemi will, dass dieser Spruch ganz klein auf ihrem Grabstein steht. «Muss da überhaupt etwas stehen, ausser meinem Namen und Geburts- und Todesdatum?», frage ich mich. Etwas später verrät Noemi mir allerdings ein Zitat von Albert Schweitzer, welches sie sich schon eher vorstellen könnte. Ich denke, dass der Spruch auf meinem Grabstein vor allem den Hinterbliebenen Hoffnung schenken sollte.

Der Trail führt uns weiter zum Torturm, auf dem wir die Toten zählen sollen. Ich zähle laut und werde prompt von einem Vorbeigehenden gefragt, ob ich da

oben nach Rapunzel suche. Eine Frau mit langen Haaren können wir auf dem «Totentanz» nicht entdecken.

Allmählich führt uns der Trail zurück zum Ausgangspunkt. Mein Handy hat mittlerweile fast keinen Akku mehr – die Kälte hat meinem Handy wohl mehr zugesetzt als uns –, für ein freudestrahlendes Abschluss-Selfie reicht er aber noch. Angeregt führen wir unser Gespräch über Gott und die Welt auf der Heimreise fort. Der Ausflug hat nicht nur unseren Homeoffice-Hintern gutgetan!

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Luana Hauenstein (26) ist gerade dabei, ihr Theologiestudium zu beenden. Sie ist studentische Mitarbeiterin von theologie-erleben.ch, der Plattform rund um Jugend, Glaube und Kirche. Die TheoTrails, die es in 6 Städten der Schweiz gibt – Basel, Bern, Zürich, Aarau, Schaffhausen und St. Gallen – dauern rund 80 Minuten und können kostenlos mit der Handy-App Actionbound besucht werden. Weitere Infos: www.theologie-erleben.ch/theotrail